Dieser Beitrag wird laufend aktualisiert, letztes Update: 03. September 2023
Ich verfasse diese Zeilen retrospektiv, da weder die Idee zu MeinKetoleben.de zum Zeitpunkt der endgültigen Manifestation von Eriks Typ-1-Diabetes geboren war, noch hätte ich die notwendige Ruhe oder Energie zum Verfassen irgendwelcher Texte über die damals aktuellen Ereignisse gehabt. Die Zeit des dreiwöchigen Krankenhausaufenthaltes von Erik war für Eva und mich eine Phase des absoluten Funktionierens. Der Tag bestand aus aufstehen, arbeiten, Erik besuchen, ungesund im Restaurant essen, lesen, lesen, lesen und dann schlafen. Das Besuchen gestaltete sich als schwierig, da Erik zu diesem Zeitpunkt auch positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, aber dank des tollen Verhaltens der Ärzte und des Pflegepersonals des Helios Klinikums in Gifhorn war es uns als Eltern möglich, unseren Sohn dennoch besuchen zu können. Wir alle durchliefen die ersten Phasen der Trauer, leugneten den Umstand und suchten anschließend Wege, das Schicksal davon zu überzeugen, dieses eine Mal eine Ausnahme zu machen und den Kelch an uns vorbeiziehen zu lassen. Auch fragten wir uns, ob unser mangelhaftes Erbmaterial ein Faktor sein könnte, leiden Eva und ich doch seit Jahren an multipler Sklerose. Die Vermutung blieb eine gewisse Zeit bestehen, obwohl die Ärzte uns bereits darüber aufgeklärt hatten, dass der Auslöser wahrscheinlich die Corona-Infektion war, ähnlich wie das Epstein-Barr-Virus bei unserer MS.

Die Grenzen der Schulmedizin
Vorab ist es mir wichtig, zu erwähnen, dass die klassische Schulmedizin in der Akutsituation das Leben unseres Sohnes gerettet, seinen Zustand absolut professionell stabilisiert und ihn binnen weniger Tage wieder auf die Beine bekommen hat. Auch Erik hat sich in dieser Situation absolut toll verhalten und war ziemlich schnell an „die Nadel“ gewöhnt, der kleine „Pieks“ in Finger oder Bauch zum Messen bzw. Injizieren ging ohne lange Eingewöhnung schnell von der Hand.

Dann kam irgendwann die Ernährungsberatung mit Patient und Angehörigen und unser Moment der Ernüchterung. Streng nach der Empfehlung der DGE wurde uns „gesunde Ernährung“ erklärt, die entsprechenden Faktoren zur Insulinberechnung auf Basis von Kohlenhydraten erläutert. Dies war Eva und mir direkt ein Dorn im Auge, sind wir doch seit Jahren der Meinung, mit einer kohlenhydratreduzierten und weitestgehend nicht hochverarbeiteten Ernährung unsere multiple Sklerose zum Stillstand gebracht zu haben. In diesem Moment stand für uns fest, dass wir auch in diesem Fall mit der Ernährung viel in der Hand haben würden. Weiterhin erwähnte die Ernährungsberaterin ein „neues Prinzip“ bei dem Proteine und Fett mit gespritzt würden, sagte aber, sie kenne sich damit nicht wirklich aus und verwies uns an die „norddeutschen Experten bei Jugenddiabetes“ im Kinder- und Jugendkrankenhaus auf der Bult in Hannover.
Völlige Ernüchterung
Angekommen auf der Bult durchläuft Erik eine Art Diabetes-Bootcamp. Professionell und gut wird Erik der Umgang mit allem technischen Equipment, Injektion per Nadel und Pen sowie Über- und Unterzuckerung so beigebracht, dass er im Alltag weiß, wie er sich in jedem Fall zu verhalten hat. Das war insgesamt wirklich wunderbar. Irgendwann kam es auch dort zur „Ernährungsberatung“ unter Anwesenheit der behandelnden Ärztin und tatsächlich waren wir selten so schockiert. Die DGE-Empfehlung wurde nicht einfach „empfohlen“, sondern in einer Form oktroyiert, die uns glauben lies, wir befänden uns in einem Blasphemie-Prozess im finsteren Mittelalter. „Was bei Ihnen funktioniert hat, muss nicht zwingend auch bei ihrem Kind funktionieren – da gibt es keinerlei Evidenz.“ oder „Bei weniger als 188g Kohlenhydraten täglich wird das Kind nicht mehr wachsen“ waren nur zwei der unglaublichen Aussagen, mit denen wir in das DGE-Konstrukt zurückgeführt werden sollen. Kurzzeitig habe ich mich gefragt, ob diese Ärztin nicht vielleicht zusätzlich Werbeverträge mit Big-Pharma (sie hat kurzfristig die Insulin-Sorten gegen Pendants eines anderen Herstellers ersetzt) auch Vereinbarungen Big-Food eingegangen sein könnte.

So wenig Insulin wie möglich
Eigentlich wussten wir es schon immer, aber spätestens ab dem ersten Kontakt mit einer kritischen Unterzuckerung – Erik hat das Fahrrad nicht gefunden, das direkt neben ihm stand – war uns klar, dass wir, auch wenn völliger Verzicht vermutlich unmöglich, den Insulinbedarf auf ein absolutes Minimum reduzieren wollen. Und so stürzten wir uns nicht nur zurück in den Alltag, sondern auch in unser neues, schönes, spannendes ketogenes Leben – mit allen Rückschlägen und Hindernissen. 🫣